#104. Ängste

Karosdiary hat mit ihrem Eintrag über Verlustängste und ihrer sozialen Phobie schon gut vorgelegen. Ich hatte bereits in einem vergangenen Thema meine Ängste angesprochen. Vor ab, Ängste sind natürlich und sollen uns vor Gefahren warnen, doch es gibt Menschen die entwickeln aus unterschiedlichen Gründen Ängste, die keine Ängste sind. Die wohl bekanntesten hier bei sind: Angst vor Tieren aller Art, Flugangst, Höhenangst, aber auch die Angst vor großen Plätzen sowie das zwanghafte Klauen sind einigen bekannt.

Von klein auf habe ich Angst im Wasser. Ich denke das hängt zum großen Teil damit zusammen, weil ich im Kleinkindalter fast ertrunken wäre. Im Schwimmunterricht der Grundschule war es für mich ein großer Erfolg ohne festhalten ein 25m Becken zu durchqueren, dafür haben meine Lehrer mir sogar eine Urkunde gebastelt. Auch wenn ich schon 26 bin möchte ich in diesem Leben noch mein Seepferdchen machen.

Neben dieser Wasserangst wäre da noch die Angst im Dunkeln, diese Angst zeigte sich schon im Alter von wenigen Monaten. Damals hatte ich Angst/Panik und Schreianfälle, weil meine Eltern nicht wussten was mit mir los war. Heute weiß ich das ich von Geburt an nachtblind bin. Dies bedeutet das ich in der Dämmerung und Dunnkelheit außer Lichtqullen nichts sehe. Wenn z. B. ein Auto unter einer Laterne steht dann kann ich die Umrisse dieses besagten Autos erkennen. Mit 14/15 hab ich dann meinen ersten Langstock erhalten und konnte mich von da an auch in der Dunkelheit selbstständig von a nach b bewegen, das hat viele neue Türen geöffnet.

Mit den Jahren hat diese Angst leider zugenommen. Auf der einen Seite geh ich heut ungern im Dunkeln raus, auf der anderen Seite denk ich mir „Willst du dich bis zum Frühling einsperren?“, „Nein“, also hab ich versucht einen Kompromiss zu finden. Die beiden größten Ängste in meinem Leben sind, aber zum einen die Agrographobie (Angst vor großen und offenen freien Flächen) und die Akrophobie (Höhenangst). Große freie Flächen können alles bedeuten, Felder, der Strand, (Haupt)-Straßen, Veranstaltungsflächen usw. Mein größtes Hindernis sind definitiv Straßen, am schlimmsten sind vierspurige mit Verkehrsinseln.

Es gab bereits einige Momente in denen ich aus Fluchtinstinkt über eine rote Ampel gehüpft bin. Meine erste Wohnung lag ÖPNVmäßig super zentral nur leider befand sich die Hin- und Rückhaltestellen an einer vierspurigen Hauptstraße, was dazu führte das der Bus ein paar Mal an mir vorbei fuhr, weil ich 20cm entfernt an einer Hausecke stand (diese gab mir etwas Halt). Meine letzte Wohnung konnte ich mit zwei Linien erreichen, jedoch befand sich die andere Route an einer Hauptstraße, auf der anderen Seite von mir befanden sich nur Sträucher und Büsche, dies endete etliche Mal in tierischen Panikattacken weswegen ich immer versuchte die andere Linie zu benutzen. Wenn dies nicht möglich war musste ich bei meiner Mutter aussteigen und diese fuhr mich dann die restlichen 400m nach Hause.

Vor zwei Jahren war ich mit meiner Betreuerin und einer anderen Klientin in der Waldbühne. Das Stück war toll, doch musste ich die ganze Zeit auf eine offene, große Fläche gucken und da ich kein Spielverderber sein wollte hab ich die ganzen zweieinhalb Stunden trotz Panikattacken irgendwie überstanden, doch danach war ich nie wieder dort. Die wohl größte Einschränkung in meinem Alltag ist die Akrophobie (Höhenangst). Angefangen hat alles im Sommer 2006 als ich die Körperbehindertenschule (Die Käseglocke) verlassen habe, diese Schule war mein bis dahin größter Halt, mein zweites zu Hause.

Wir hatten im Berufskolleg Einführungstage und als wir im ersten Stock waren bemerkte ich ein leichtes Unwohlsein. In meinem zweiten Jahr dort kam ich aus diesem besagten Grund etliche Male zu spät zum Unterricht, doch zu diesem Zeitpunkt wusste keiner von meinem Problem. Während der Ausbildung hatte ich in diesem besagten Berufskolleg Berufsschule und es führte dazu das andere sich belästigt gefühlt haben, weil es mir Halt gab wenn andere in meiner Nähe waren. Nach diesem Vorfall musste ich mich meinen Klassenlehrer offenbaren, dieses Gespräch war furchtbar, aber es hat mich weiter gebracht, weil dann bekannt war was mein Problem war.

Leider hat sich diese Angststörung inzwischen so weit fortgeschritten das ich bereits neun Monate bei meiner Mutter auf dem Sofa gewohnt habe, weil ich es in meiner eigenen Wohnung nicht ausgehalten habe. Der aktuelle Stand ist das ich mich nur im Erdgeschoss bewegen kann, bei jedem Arztbesuch, bei jedem neuen Sachbearbeiter in einer Behörde muss ich meine halbe Geschichte erzählen um Verständnis und eine Alternative bitten. Erst vor einigen Monaten hatte ich eine Untersuchung im Gesundheitsamt, den Sachbearbeiterin war meine Störung bekannt und trotzdem wollte man keine Rücksicht darauf nehmen.

Manche sagen „Nehm doch den Aufzug dann bekommst du das gar nicht mit“, doch leider ist das nicht so einfach. Wenn ich weiß dass ich mein sicheres Erdgeschoss verlassen muss dreht mein Körper durch. Andere Betroffene mit Angststörungen denken dabei z. B. das sie sterben, doch solche Gedanken habe ich nicht. Mein Alltag hat viel mit Verständnis und Kompromissen zutun.

 Auch wenn ich bereits seit 12 Jahren mit meiner Sehbehinderung lebe habe ich dennoch große Angst vor dem Tag X. im Oktober 2010 als ich erfuhr das ich nun als gesetzlich blind gelte gab es einige Tage an denen ich dachte „Schau dir dies und das noch mal genau an, bald kannst du es nicht mehr sehen“. Natürlich passt man sich jeder Veränderung neu an, aber diese Angst bleibt immer im Hinterkopf. Genauso wie die Tatsache das ich aufgrund meiner Angststörung und der Blindheit seit vier Jahren arbeitslos bin und Angst/Sorge habe nie wieder beruflich Fuß zu fassen.

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